Wenn der Job nicht mehr zufrieden macht, steht man oft vor der Frage: Kündigen oder bleiben? Das kann eine ziemliche aufreibende Entscheidung sein. Die letzten Jahre haben den Wunsch nach Sinn und Motivation bei der Arbeit noch verstärkt. Pandemiekrise, Kurzarbeit und langes Homeoffice haben wie ein Brennglas gewirkt. Das stelle ich auch in meinen Coachings immer wieder fest. Die Suche nach Sinn war nie größer.
Doch nicht immer möchten oder können Menschen sich komplett neu orientieren auf dem Weg zum Traumjob. Also den Arbeitgeber, die Tätigkeit und die Branche wechseln oder sich gar selbstständig machen. Und ganz oft muss das auch gar nicht sein. Viele Angestellte wünschen sich vielmehr ihren jetzigen Job attraktiver zu gestalten. Das geht zum Beispiel durch die Integration einer sinnvollen Aufgabe, einem neuen Projekt oder der Möglichkeit ihre besonderen Talente und Stärke mehr einzubringen.
Mit Hilfe des Job Craftings kann das gelingen
Es geht dabei darum, den eigenen Job proaktiv entsprechend seiner Stärken mit- oder umzugestalten und sich so selber ein Arbeitsfeld zu erschaffen, welches attraktiv ist und motiviert. Das kommt nicht nur dem Mitarbeiter, sondern natürlich auch dem Unternehmen zugute.
Der Begriff „Job Crafting“ wurde bereits vor über 20 Jahren von den Wissenschaftlerinnen Amy Wrzesniewski und Jane E. Dutton geprägt, es ist also keine ganz neue Idee – aber aktueller als jemals zuvor!
Das Job Crafting kann laut den beiden Wissenschaftlerinnen auf folgenden Ebenen stattfinden:
- Task Crafting: Dabei werden die Aufgaben angepasst, also z.B. verändert, abgegeben oder hinzugenommen. Also z.B. ein neues Projekt übernommen und Aufgaben neu im Team verteilt.
- Relational Crafting: Hier geht es darum, einmal zu überlegen mit welchen Personen oder Personengruppen man besonders gerne zusammenarbeitet und mit welchen man vielleicht mehr interagieren möchte in Zukunft, z.B. bei dem Wunsch nach mehr Kundenkontakt.
- Cognitive Crafting: Beim Cognitive Crafting wird die Bedeutung verändert, wie die Aufgabe wahrgenommen wird. Es wird z.B. eine höhere Perspektive eingenommen, der Endkunde oder das Endergebnis der Arbeit wird betrachtet und damit die Aufgabe als sinnstiftender im Gesamtkontext wahrgenommen. Cognitive Crafting ist vor allem Mindset-Arbeit, die Einstellung zur Arbeit wird geändert.
Wie setze ich Job Crafting für mich konkret um?
Am besten funktioniert Job Crafting natürlich, wenn der Arbeitgeber diese Initiative anbietet. Führungskraft und Team müssen involviert werden, wenn es um das Verändern der Tätigkeit im größeren Stil geht. Kommunikation und Abstimmung sind hier das A&O. Auch wenn Dein Unternehmen diese Möglichkeit nicht anbietet, spricht nichts dagegen, selbst aktiv zu werden.
Ein erster wichtiger Schritt ist immer, sich selber besser kennenzulernen und dann zu schauen wo du Ansatzpunkte findest, um den aktuellen Job anzureichern:
- Was stört dich aktuell? Was fehlt dir? Was wünschst du dir stattdessen?
- Welche Aufgaben & Tätigkeiten bereiten dir Freude? Von was wünschst du dir mehr, was würdest du gerne reduzieren? Welche Ideen hast du hierzu vielleicht schon?
- Welche Talente und Stärken hast du, die du vielleicht heute noch gar nicht richtig einbringen kannst. Wo könntest du sie einsetzen? Welche neuen Projekte könntest du vorschlagen oder übernehmen?
- Was interessiert dich besonders, was möchtest du noch lernen oder wo würdest du gerne tiefer eintauchen?
- Wünschst du dir flexibler zu arbeiten? Auch das ist ein legitimer Wunsch. Wie könnte das genau aussehen?
Wenn du das für dich zusammengetragen hast, dann geht es darum, dir zu überlegen, was davon du einfach bereits umsetzen kannst (kleine Veränderungen kann man oft alleine anstossen) und was du mit deinen Vorgesetzten besprechen solltest. Einem guten Arbeitgeber sollte daran gelegen sein, dir Möglichkeiten zu geben, dich zu entwickeln und zu entfalten. Wie genau das aussehen kann, sollte intern geklärt werden.
Wichtig zu wissen: Manchmal ist mehr möglich in der Gestaltung der eigenen Arbeit, als man selber zunächst dachte. Ich habe z.B. damals einen Job im Büro in einen teilweise Remote Job umwandeln können – wohlgemerkt, das war 15 Jahre vor der Pandemie und für mein damaliges Unternehmen und die Zeit wirklich eine kleine Revolution. Ich habe diese Möglichkeit bekommen, weil ich mir klar war, was ich kann und will und weil ich explizit und mutig danach gefragt habe. Mein damaliger Chef hatte mir vor diesem wichtigen Gespräch, welches ich direkt mit dem Vorstand führen musste, gesagt, dass ich damit quasi meine Kündigung einreiche. Viele meiner Klientinnen und Klienten konnten deutliche Veränderungen erwirken und sind heute sehr viel erfüllter in ihren alten Jobs – ohne gleich alles umkrempeln zu müssen. Also nur Mut!